Klotener Anzeiger, Leo Niessner, Donnerstag, 28. Mai 2015

Ratspräsident mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn

Dass die Debatte um die «Motion Kasper» (der «Klotener Anzeiger» berichtete) in eine Grundsatzdiskussion über deren Rechtsmässigkeit mündete, damit hätte Ueli Streuli (svp) ja noch leben können. Doch so hatte er sich die letzte Parlamentssitzung, die er als Ratspräsident leitete, nicht vorgestellt. «Dauernd wurde dreingeredet. Einige Parlamentarier bequemten sich nicht ans Rednerpult nach vorne. Kurzum, ich vermisste den Anstand im Rat, und zwar von allen Fraktionen», sinniert der 64-Jährige. Dabei hatte er seine Amtszeit im Frühling 2014 mit viel Elan und guten Wünschen angefangen. Jeder Parlamentarier hatte von ihm ein Osterpräsent erhalten: ein Körbchen mit einer Blumenzwiebel. Sie solle wachsen und fruchten, wie die Gesprächskultur im Rat. Um sie war es laut Ueli Streuli schlecht bestellt. «Der Respekt ist im Parlament abhanden gekommen», sagt er. «Vor allem der Respekt gegenüber anders Denkenden. Immer wieder wird vergessen, dass es im Rat auch Kollegen gibt, die nicht in der bürgerlichen Mehrheit von FDP und SVP sitzen. Deren Meinung fräst man nicht einfach so herunter, wie das oft passiert. Unseren Leuten fehlt manchmal das Flair», fügt er hinzu. Allerdings habe er auch Mühe mit dem Ton, der im Rat auf linker Seite angeschlagen wird: vor allem von SP-Gemeinderat Christoph Fischbach.

Dass er sich mit seiner Kritik auf bürgerlicher Seite nicht nur Freunde macht, ist ihm bewusst. Doch das stört Ueli Streuli, Leiter der Sicherheitspolizei-Spezialabteilung Zürich, nicht. «Ich besitze einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn», sagt er. Wenn ihm etwas nicht passe, sage er es eben. Wer ein politisches Gremium wie einen Gemeinderat leite, müsse ein starkes Rückgrat haben. Das gelernt hat Ueli Streuli in den unzähligen ämtern, die er bereits inne hatte: als Mitglied der Bezirksschulpflege in Dielsdorf, wo er früher wohnte, in seiner achtjährigen Zeit als Schulpfleger in Kloten sowie als Vize-Präsident und später Präsident der Geschäfts- und Rechnungsprüfungskommission (GRPK) in der Flughafenstadt. Dass sein Wirken in der GRPK seine schönste politische Amtszeit war, gibt er unumwunden zu. Die Arbeit im Gremium, in welcher er mit Priska Seiler Graf (sp) und Sigi Sommer (sp), seiner Nachfolgerin auf dem Bock, sass, habe ihn politisch geprägt. «In der GRPK kann man am meisten bewirken. Und auch menschlich war diese Zeit toll», sagt er. Doch auch auf sein Amtsjahr als Gemeinderatspräsident blickt er gerne zurück, allen Querelen im Parlament zum Trotz. Besonders das Glanzresultat, mit dem er 2014 in die Leitung gewählt wurde, ist ihm in bester Erinnerung: 29 von 31 Stimmen erhielt er von den Parlamentariern. «Obwohl ich ein paar Wochen vorher als GRPK-Präsident Sparanträge von 2,7 Millionen Franken durchbrachte, wider dem Willen der linken Ratshälfte», sinniert er. Doch offenbar hätten sich sein langjähriges Engagement für Kloten sowie seine konsequente Haltung bezahlt gemacht. «Wenn ich zu etwas Ja oder Nein sage, dann stehe ich auch dazu. Egal, ob es mit dem Kurs meiner Fraktion, der SVP, übereinstimmt», sagt er. Politik stur nach Parteibüchlein interessiert ihn nicht. Und an das habe er sich jeweils gehalten. Die Motion, mit welcher SVP-Gemeinderätin Tina Kasper einen sofortigen Stopp der Ausgaben zur überdachung des Ausseneisfeldes bei der Swiss-Arena verlangte, unterschrieb er von Anfang an nicht, im Gegensatz zur Mehrheit der SVP. «Selbst wenn ich als Ratspräsident einen Stichentscheid gegen meine Partei herbeigeführt hätte - ich wäre bei meiner Meinung geblieben», sagt er. Er sei eben kein SVPler des rechten Randes, sondern bewege sich an der linken Seite der Partei. Bei aller Toleranz, die er als Ratsleiter zu vermitteln versuchte: Es gab auch Kritik an seiner Führung des Parlaments. Im Winter hatte der «Klotener Anzeiger» unter anderem den hemdsärmeligen Ton moniert, den er im Parlament anschlug. «Ja, ich war gewiss etwas zu bodenständig», resümiert Ueli Streuli. In Kloten komme das offenbar nicht an, im Gegensatz zu seiner zweiten Heimat, der im Sankt Galler Oberland. In der politischen Gemeinde kennt er den Gemeindepräsidenten und hat dort auch schon Parlamentsdebatten verfolgt. «Da herrscht noch ein anderer, kumpelhafterer Umgang», sagt er. Dass er versucht hat, diesen auch in Kloten anzuschlagen, bereut er allerdings nicht. «Ein Versuch wars wert.»

Schade findet er hingegen, dass er das Parlament nicht straffer geführt hat. «Dabei wollte ich eigentlich strenger sein», sagt Ueli Streuli. An der emotionalen Debatte Anfang Mai rieten ihm Kollegen aus dem Stadtrat während der WC-Pause sogar, im Rat für mehr Disziplin zu sorgen. Doch das fiel ihm schwer. «Es sind ja alles Kollegen im Gemeinderat, da hatte ich einfach Mühe. Ich mag von Natur aus keinen Streit», gesteht er. Erfreulich ist für Ueli Streuli der Blick in die Zukunft des Parlaments. «Sehr glücklich» sei er über die neue Besetzung des Bocks. «Meine Nachfolgerin Sigi Sommer (sp) wird den Rat mit Bravour leiten. Ich habe in der GRPK mit ihr toll zusammen gearbeitet. Auch die erste Vizepräsidentin Irina Bannwart (cvp) und Walter Beer (svp) als zweiter Vize wissen, wovon sie sprechen.» Für Ueli Streuli hingegen geht es nun wieder zurück in die Reihen der Gemeinderäte. Keine leichte Aufgabe für ihn, wie er lachend erzählt: «Ich muss mich erst wieder zurechtfinden.»



Klotener Anzeiger, Albert Fässler, Donnerstag, 30. April 2015

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Novum in der Geschichte des Klotener Gemeindeparlaments: Nebst dem am 5. Mai als Ratspräsident abtretenden Ueli Streuli wird künftig auch dessen Sohn Oliver im Saal sitzen. Nicht etwa als Zuschauer, sondern als Vertreter der Jungen SVP.

Photo: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Ueli Streuli (64) wollte einst bezahlter Parlamentarier werden. Der elterliche Bauernhof in Aeugst am Albis liess derartige Bubenträume aber nicht zu. Die Ausbildung zum Landwirt und aktive Mitarbeit im Stall wie auch auf dem Hof hatten Vorrang. 40 Kühe, 100 Schweine und Dutzende von Hühnern wollten gehegt und gepflegt werden. Das war zwar schön und gut, aber auf Dauer nicht nach dem Geschmack des jungen Bauers. 1976 startete Ueli Streuli eine Ausbildung zum Polizisten und ist dieser Mission bis heute treu geblieben. Seit geraumer Zeit amtet er als Dienstchef bei der Sicherheitspolizei, einer Spezialabteilung der Kantonspolizei Zürich. Damit beerdigte er auch seinen Bubentraum definitiv. Unseren Ordnungshütern ist das Mitmachen in der nationalen Legislative nämlich untersagt.

Wenn ein Parlament seinen Ratspräsidenten kürt, dann sind die Spielregeln gegeben. Die beiden Vizepräsidenten rücken im Normalfall automatisch nach. Seit dem 1. April 2014 weiss man zumindest in Kloten, dass Ausnahmen die Regeln bestätigen. 29 von 31 Parlamentariern (einer fehlte wegen Krankheit, zwei enthielten sich der Stimme) wählten Ueli Streuli zu ihrem Vorsitzenden, womit das SVP-Mitglied auch ohne Vizepräsidium-Erfahrung im «Gepäck» vom normalen gleich auf den höchsten Stuhl gehievt wurde. Für den seit 1993 in Kloten wohnhaften Polizei-Unteroffizier war die (fast) einstimmige Wahl zum Ratspräsidenten eine Krönung seiner nebenamtlichen Politkarriere. Vor allem aber war sie ein Dankeschön für seine Rolle als «Brückenbauer» zwischen den politischen Lagern. Und diese Rolle verkörpert Ueli Streuli perfekt. An seiner ersten Sitzung als höchster Klotener schenkte er jedem Ratsmitglied einen Blumenknollen mit der Bitte, dem Pflänzchen Sorge zu tragen und es um Blühen zu bringen. Hinter dieser Geste stand die Botschaft: Ich will in diesem Saal eine neue Kultur, eine Gesprächskultur des Anstandes. Am Vorabend der neuen Legislaturperiode zieht Streuli erste Bilanz: «Wir haben diesbezüglich zwar Fortschritte gemacht, sind aber noch längst nicht am Ziel.» Papa Streuli nach dem Abgang als Vorsitzender künftig auf den hintersten, Sohnemann Oliver (25) auf den vordersten Sesseln im Ratsaal. An dieses Bild muss man sich in Kloten gewöhnen. Lange Zeit deutete nichts darauf hin, dass einer der beiden Söhne Streulis aus erster Ehe dem Vater nacheifern könnte. Laut Mutter Bernadette (61) war die Politik am Küchentisch kein Thema: «Raphael (23) hat sich nie dafür interessiert und daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegensatz zum jüngeren Bruder will Oliver mitreden, mitgestalten, etwas bewegen. Was mir an meinen Söhnen ganz besonders gefällt, ist ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und der Respekt im Umgang mit Andersdenkenden. Sie denken und handeln wie ihr Vater.» Das Ausfüllen des Stimmzettels überliess Bernadette Streuli damals immer ihrem Mann. Sie beschränkte sich auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter. Ihr Abseitsstehen formuliert sie so: «Wer stimmen und mitbestimmen will, muss sich in der Materie auskennen. Ueli wusste Bescheid, ich hingegen nicht.»

Am jetzigen Küchentisch des Ueli Streuli, mit einer neuen Frau an seiner Seite, bläst nun allerdings eine steifere Brise. Denn Elisabeth Schwitter-Streuli (50) redet mit und gestaltet mit. Ihr Job als Geschäftsführerin des Hotels Allegra zwingt sie auf wirtschaftlicher wie politischer Ebene zum Mitdenken. «Ueli und ich politisieren in gemeinsamen Stunden viel und gerne. Dabei sind wir keineswegs immer gleicher Meinung», gesteht sie offen. Im Gegensatz zur Vorgängerin füllt Elisabeth ihren Wahlzettel auch selber aus und dokumentiert damit eindrücklich ihr eigenständiges Denken. «Ich bringe ihn dann zur Post», wirft ihr angetrauter Lebenspartner mit einem Schmunzeln ein. «Und damit bietet sich mir zumindest die Möglichkeit, ihn allenfalls in den Abfallkübel zu werfen (Ironie off).» Klotens Gemeindeparlament kann sich übrigens auf Oliver Streuli freuen. Der 25-Jährige eckt wie sein Vater parteiintern bei der Jungen SVP zwar öfters an, tritt sein Amt in der Legislative aber mit Demut und Bescheidenheit an. «Ich will und kann die Welt nicht verändern, möchte aber einen persönlichen Beitrag an die Erhaltung unseres Wohlstandes leisten.» Aufgrund von schulischen Verpflichtungen wird der Neo-Gemeinderat den Start in die neue Legislatur allerdings verpassen und erst ab Juli mitmachen können. Ein Wermutstropfen im Freudenbecher des Vaters. Denn Noch-Ratspräsident Ueli Streuli hatte darauf gehofft, seinen Sohn am 5. Mai offiziell willkommen heissen zu können. Das muss er nun zwangsläufig seiner Nachfolgerin Sigrun «Sigi» Sommer (53) überlassen.